Bist du schon einmal bei einem Laternenumzug mitgelaufen? Vielleicht mit den Kindern aus deinem Kindergarten oder deiner Schule an einem dunklen Abend im November? Ihr habt Laternen getragen, in denen Kerzen oder Lichter brannten.
Mama und Papa, Oma und Opa oder Tante Gisela waren vielleicht auch dabei. Ihr habt Lieder gesungen, zum Beispiel „Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne ...“ oder „Ich geh mit meiner Laterne ...“. Das hat bestimmt Spaß gemacht.
Doch warum gibt es eigentlich solche Laternenumzüge? Warum reitet manchmal bei diesen Umzügen ein Mann in einer römischen Uniform mit, der irgendwann mit einem Schwert einen Mantel teilt?
Das hat mit einem Menschen zu tun, der vor mehr als 1600 Jahren gelebt hat. Sein Name: Martin von Tours.
Martinszug vor dem Düsseldorfer Rathaus 1905, Gemälde v. Heinrich Hermanns
Da dieser Mann vor sehr langer Zeit lebte, weiß man von ihm nur noch wenig. Manche sagen zum Beispiel, er sei im Jahr 317 nach Christi geboren, andere behaupten, das sei erst 20 Jahre später geschehen.
Sicher ist wohl, dass er in einem kleinen Ort im heutigen Ungarn zur Welt kam und Martinus genannt wurde. Damals wurden weite Teile Europas und Nordafrikas von den Römern beherrscht. Martinus Vater war ein römischer Offizier. Es war üblich, dass der Sohn eines Offiziers ebenfalls Soldat wurde. So trat Martinus, den wir heute nur noch Martin nennen, bereits im Alter von 15 Jahren in eine Leibwache des römischen Kaisers ein.
Wenige Jahre vorher hatte sich der Kaiser Konstantin dem Christentum zugewandt. Bis dahin verehrte man die alten römischen Götter, den Jupiter, den Mars, den Neptun oder die Hera. Auch Martinus ließ sich taufen und wurde Christ. Weil er seinen Glauben ernst nahm, bekam er offenbar bald Probleme mit dem Kriegsdienst. Er wollte nicht mehr kämpfen oder gar andere Menschen töten. Er wollte Gott dienen und das wichtigste christliche Gebot befolgen: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.
Römischer Reitersoldat im Limesmuseum Aalen
Das wird auch in einem Ereignis deutlich, das sich in der französischen Stadt Amiens zugetragen haben soll und für das Martin bis heute verehrt wird. Noch war er Soldat. Da begegnete er eines Abends einem frierenden Bettler. Kurz entschlossen nahm er sein Schwert.
Er teilte seinen warmen Umhang in zwei Teile und schenkte einen dem Bettler. Bald darauf schied er aus dem Soldatendienst aus. Er zog zum Bischof Hilarius nach Gallien, dem heutigen Frankreich.
Martin ließ sich an einem Ort nieder, an dem später das erste christliche Kloster entstand. Dieses Kloster besteht heute noch. Er führte ein einfaches Leben als Einsiedler und versuchte, die Menschen in seiner Umgebung zum Christentum zu bekehren. Er sorgte für arme Menschen und pflegte Kranke. Das machte ihn bekannt und vor allem beim einfachen Volk beliebt.
Sankt Martin und der Bettler, Gemälde von El Greco (Ausschnitt)
Im Jahr 371 wurde in der Stadt Tours ein neuer Bischof gesucht. Viele Menschen wollten Martin als neuen Bischof haben. Der soll sich jedoch zunächst geweigert haben. Mit einer List lockte man ihn aus seiner Einsiedelei in die Stadt. Dort hatte sich bereits eine große Menschenmenge versammelt.
Man erzählte später, Martin habe sich vor dem Volk in einem Stall versteckt. Doch Gänse hätten ihn durch ihr lautes Geschnatter verraten. Man habe ihn aus dem Gänsestall direkt zu seinem Bischofsthron geführt.
Als Bischof gründete er in der Nähe der Stadt Tours ein Kloster, in dem er mit 80 Mönchen lebte. Martin und die Mönche hatten kein persönliches Eigentum, sie lebten allein von Spenden und widmeten sich dem Gebet.
Martin soll die Menschen vor allem durch seine Demut und sein einfaches Leben beeindruckt haben. Man erzählte von ihm allerlei Geschichten, die wir heute als Legenden bezeichnen. In einer Legende ist vermutlich ein kleines Körnchen Wahrheit enthalten, zu dem aber viele Ausschmückungen hinzu erfunden wurden.
Basilika St. Martin in Tours
Die Geschichten vom Bischof Martin verbreiteten sich schnell. Schließlich erzählte man, er könne Wunder vollbringen und habe sogar einen Toten wieder zum Leben erweckt. Nach einer anderen Legende habe er einen Baum gefällt, der Menschen, die noch keine Christen waren, als heilig galt.
Er soll ein gelähmtes Mädchen und einen Leprakranken geheilt haben. Eines Tages habe er einen hässlichen Vogel zu sich gerufen, ihm ein wunderschönes Gefieder geschenkt und den Namen „Martinsfischer“ gegeben. Diesen Vogel kennen wir heute als Eisvogel.
Er soll einen grausamen Richter dazu gebracht haben, unschuldige Gefangene frei zu lassen. Immer wieder wurde in seinem Namen zu tätiger Nächstenliebe aufgerufen. Martin soll irgendwann das Schaf als Beispiel genannt haben, das jedes Jahr seine Wolle gibt, damit Menschen sich daraus warme Kleidung machen können.
Martin starb um das Jahr 400 auf einer seiner Reisen. Mönche brachten den Leichnam mit einem Schiff über den Fluss Loire nach Tours zurück, wo er an einem 11. November beerdigt wurde. Auch darüber berichtet eine Legende.
Demnach erwachte die Natur in der Nacht vor der Überführung zu neuem Leben. Als das Schiff vorüber fuhr, habe ein Meer weißer Blüten den Fluss gesäumt. Sein Nachfolger als Bischof ließ über dem Grab eine Kapelle bauen. Später errichtete man eine große Basilika.
Pilger aus aller Welt kommen heute nach Tours zu seinem Grab. Martin wird in vielen Ländern noch immer als Beschützer der Soldaten, der Reisenden, der Bedürftigen und Gefangenen, der Bauern und Hirten, der Kranken und der Haustiere verehrt.
Das Grab des Heiligen Martin in Tours
Die Verehrung des Martin von Tours verbreitete sich in ganz Europa. In der Katholischen Kirche galt er schon bald als Heiliger. Überall entstanden Kirchen, die dem Heiligen Martin geweiht waren, so zum Beispiel der Dom St. Martin in Mainz.
Es wurde üblich, dass an seinem Todestag, dem 11. November, Kirchen und Klöster die Abgaben entgegen nahmen, die die Bauern zu leisten hatten. Das waren oft Tiere wie Rinder, Schweine, Gänse und Hühner, aber auch Getreide und Wein. An diesem Tag feierte man das Ende des Erntejahres und probierte den neuen Wein.
Martin wurde zu einem beliebten Taufnahmen. In Frankreich ist der Name Martin heute noch der am häufigsten vorkommende Nachname. Am 11. November 1483 wurde in Eisleben in Thüringen ein anderer berühmter Träger des Namens getauft: Martin Luther.
Noch heute brennen an vielen Orten Martinsfeuer als Dank für die Ernte und als Bitte um Schutz für die Pflanzen und Tiere im Winter. Oft werden Gänse als Martinsgänse zubereitet. Und es gibt Umzüge mit Laternen und Lichtern, an denen gern auch Kinder teilnehmen.
Manchmal brennen die Lichter dabei in ausgehöhlten Runkelrüben oder Kürbissen. Bei manchen Umzügen reitet ein Mann in der Uniform eines römischen Offiziers mit, der den Heiligen Martin darstellt und symbolisch einen Mantel teilt. In einigen Gegenden ziehen Kinder mit Laternen von Haus zu Haus und werden mit Brezeln, Waffeln, Äpfeln, Birnen, Pfefferkuchen und Nüssen beschenkt.
So tun wir heute noch etwas, was vor mehr als 1600 Jahren in einem Gänsestall seinen Anfang nahm.
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