Eine Sage erzählt, dass einst eine junge Frau von ihren Eltern gezwungen wurde, einen Mann zu heiraten, den sie nicht liebte. Am Tag der Hochzeit fuhr sie mit dem Brautwagen zur Kirche, gefolgt von Nachbarn und Verwandten.
Unterwegs war sie so verzweifelt, dass sie wünschte, lieber zu Stein zu werden, als den ungeliebten Bräutigam zu heiraten. Augenblicklich geschah es: Die Braut und alle Gäste erstarrten zu Stein.
Dies soll sich in der Nähe der Gemeinde Visbek ereignet haben, die heute im Landkreis Vechta in Niedersachsen liegt. Noch immer kann man dort mehrere Felsbrocken entdecken, aufgereiht wie in einem Hochzeitszug. Man nennt diese Steine die "Visbeker Braut".
Die Visbeker Braut
Ungefähr 4 Kilometer von der "Visbeker Braut" entfernt findet man den "Visbeker Bräutigam". Hier liegen etwa 130 große Felssteine in einem Rechteck beieinander.
Der alten Sage nach soll es sich um den Mann handeln, den die Visbeker Braut nicht heiraten wollte, und der ebenfalls zu Stein wurde. In der Nähe dieses Steindenkmals stößt man auf den "Brautwagen". Es sieht so aus, als seien die Räder in den Boden eingesunken. Darüber liegen vier große Steine, in denen man mit einiger Phantasie Teile eines Hochzeitswagens erkennen kann.
Solche Geschichten haben sich die Menschen früher gern ausgedacht, wenn sie in der Natur auf etwas trafen, wofür sie keine Erklärung hatten. Doch diese Geschichte ist keineswegs wahr. In Wirklichkeit hat es mit den großen Steinen von Visbek eine ganz andere Bewandtnis.
Der Visbeker Bräutigam
Diese Ansammlung von Steinen hat nichts mit einer Hochzeit zu tun. Die Erklärung ist einfach: Es handelt sich um Grabanlagen. Diese Gräber wurden aus großen Steinen errichtet. Daher bezeichnen wir solche Anlagen als Großsteingräber. In der Jungsteinzeit wurden in diesen Gräbern Menschen beerdigt. Als Jungsteinzeit bezeichnen wir einen Zeitabschnitt, der vor etwa 5500 Jahren begann und vor 4800 Jahren endete.
Man weiß nicht genau, wer in einer solchen Anlage beigesetzt wurde. Vielleicht fanden Angehörige mehrerer Familien in einem gemeinsamen Grab ihre letzte Ruhe. Vielleicht waren diese Grabstätten aber auch für wichtige Persönlichkeiten, ihre Familien und ihre Gefolgsleute bestimmt. Die Gräber wurden über längere Zeit benutzt.
Ein solches Großsteingrab besteht zunächst aus Tragsteinen, die in die Erde eingelassen waren und aufrecht standen. Auf diese Tragsteine wurden große Decksteine gelegt. Dadurch entstand ein niedriger Raum, der die eigentliche Grabkammer bildete.
Die Grabkammer des "Visbecker Bräutigam" besteht aus Tragsteinen, die fast vollständig im Boden versunken sind, und 5 Decksteinen. Die Kammer hat eine Länge von etwa 10 m. Sie wird von 130 Randsteinen umgeben. Sie bilden ein Rechteck, das 104 m lang und 9 m breit ist.
Die Anlage einer Grabkammer kann man in der Nähe des "Visbecker Bräutigam" bei dem "Heidenopfertisch" noch besser beobachten. Auf den Tragsteinen dieses Grabes lagen einmal drei Decksteine, von denen nur noch einer erhalten ist. Er ist etwa 5 m lang und wiegt ungefähr 40 Tonnen.
Die Zwischenräume zwischen den Tragsteinen und den Decksteinen einer Grabkammer waren einst mit kleineren Steinen, Holz und Grassoden ausgefüllt. Dann wurde das Grab mit Erde bedeckt. An einer Stelle gab es einen Zugang, der geöffnet werden konnte, wenn wieder ein Mensch gestorben war.
Ein Pastor zeichnete im Jahr 1837 das Großsteingrab Weseby in der Gemeinde Hünten in Schleswig-Holstein. Die Grabkammer bestand aus zwei Decksteinen und einer unbekannten Zahl von Tragsteinen. Die Anlage in Weseby gibt es heute nicht mehr. Es sind leider nur noch wenige Großsteingräber erhalten geblieben.
Der Arzt Johann Picardt lebte im 17. Jahrhundert. Er meinte, dass die großen Steine nur von Riesen bewegt worden sein konnten. Er vermutete, diese Riesen seien aus dem Lande Kanaan gekommen.
Er fertigte eine Zeichnung an, die winzige Menschen zeigt. Daneben sind Riesen damit beschäftigt, ein solches Grab zu errichten. Die großen Grabanlagen nannte man damals "Hünengräber". Ein "Hüne" ist ein anderes Wort für "Riese". Solche Riesen gab es allerdings nie.
Heute wissen wir: Die großen Steingräber wurden vor 5000 Jahren von normalen Menschen gebaut, die wahrscheinlich sogar deutlich kleiner waren als Menschen heute. Sie gingen dabei mit sehr einfachen, aber raffinierten Mitteln zu Werke.
Die Arbeiten fanden vorwiegend im Winter statt. Die schweren Steine wurden mit Ochsengespannen über den gefrorenen Boden und die verschneiten oder vereisten Flächen gezogen. Die Tragsteine wurden in einer Reihe in Vertiefungen eingelassen und aufgerichtet (1). Anschließend verfüllte man den Raum zwischen den Tragsteinen (2).
Schließlich schüttete man aus Erde oder aus vereistem Schnee seitliche Rampen auf (3). Danach konnten die Ochsengespanne die Decksteine an ihre vorgesehenen Stellen ziehen. Vermutlich hat man dabei Rollen untergelegt (4).
Schließlich bedeckte man die Grabkammer mit Erde (5). Das Innere der Kammer wurde wieder freigelegt (6). Manchmal umgab man die Anlage auch noch mit einer Reihe von Randsteinen (7).
Je nach Größe und Zahl der Bauleute brauchte man für die Errichtung eines Großsteingrabes manchmal nur einige Monate.
Solche großen Steingräber wurden vor allem im Norden Deutschlands und Europas errichtet. Hier gab es genügend viele schwere Steine für diese Anlagen.
Sie waren in den Eiszeiten hier abgelagert worden. In der letzten Million Jahre gab es vier Kaltzeiten, in denen Nordeuropa von einer dichten Eisschicht bedeckt war, die sich an manchen Stellen zu einer Höhe von mehr als 3000 Meter auftürmte.
Das Eis wurde durch sein eigenes Gewicht immer weiter nach Süden gedrückt. Es schob dabei Sand, Geröll und große Felsbrocken mit sich. Als das Eis schmolz, sanken diese "Findlinge" zu Boden und blieben liegen. Die Menschen nutzten diese Steine dann später zum Bau großer Steingräber.
Großsteingrab in Mander in den Niederlanden - Bilder und Grafik: Hamsterkiste (12), gemeinfrei (2)
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