Neulich wärst du fast auf mich getreten. Ja, du! Dann wäre ich jetzt Matsch. Du warst mit anderen Kindern unterwegs und bist einfach an mir vorbei gelaufen. Ich war richtig in Panik, du hast nämlich überhaupt nicht aufgepasst. Aber so seid ihr Menschen.
Wenn du nun aber mal da bist, kann ich dir gern noch etwas mehr von mir erzählen. Ich bin eine Raupe. Raupen sind die Kinder von Schmetterlingen. Von uns gibt es viele verschiedene Arten. Ihr Menschen habt euch für jede Art einen eigenen Namen ausgedacht. Mich und meine Eltern nennt ihr Buchen-Streckfuß.
Ich habe gehört, dass ihr Menschen ausgewachsene Schmetterlinge bunt und schön findet. Wir Kinder aber, wir Raupen und Puppen, werden von euch oft miserabel behandelt. Ihr findet uns eklig. Was meint ihr wohl, wie wir euch finden, euch Menschenkinder mit den schrecklich großen Füßen?
Irgendwann werde ich ein ausgewachsener Schmetterling sein. Dann sehe ich so aus wie auf dem Bild unten. Ich werde fliegen können und ungefähr 40 bis 60 Millimeter lang sein. Den Namen Buchen-Streckfuß haben wir von euch bekommen, weil wir auf Buchen leben und die Füße nach vorn strecken, wenn wir ruhen.
Ein ausgewachsener Buchen-Streckfuß
Auf den Bildern unten kannst du sehen, wie sich Schmetterlinge entwickeln. Zunächst sind da nur zwei gelbe Stippen an einer Knospe. Es sind Eier, die eine Schmetterlingsmama dort angeheftet hat. Vor einigen Tagen sind aus diesen Eiern Raupen geschlüpft.
Sie sind die Kinder eines Schmetterlings, den ihr als Zitronenfalter bezeichnet. Sie leben auf grünen Blättern und haben selbst eine grüne Farbe, damit sie von den Vögeln nicht so schnell erkannt werden. Die würden sie glatt auffressen, diese Ungeheuer.
Wir Raupen schlüpfen ohne jede Hilfe, es muss nur schön warm sein. Wir mögen viele frische Blätter um uns herum. Dann haben wir gleich genug zu futtern.
Später wird aus uns etwas, was ihr Menschen nie erlebt. Nachdem wir lange genug als Raupe umher gekrochen sind, werden wir nämlich zu einer Puppe. Wir suchen uns ein geschütztes Plätzchen und spinnen uns in einen Kokon ein. Dann bewegen wir uns nicht mehr und wir essen auch nichts mehr.
Einige Wochen lang hängen wir an einem dünnen Faden. Wir brauchen Ruhe, um uns zu verwandeln. Aus den Puppen krabbeln wir irgendwann als fertige Schmetterlinge heraus. Dann sind wir erwachsen. Sobald wir die Puppenhaut verlassen haben, müssen die Flügel noch etwas trocknen und los geht es.
Die Mama Zitronenfalter unten rechts hat ganz viele Eier gelegt. Sie weiß wahrscheinlich gar nicht, wie viele Kinder sie hat. Die Kinder wissen auch nicht, wo ihre Mama gerade ist, denn bei uns kümmern sich die Eltern nicht um ihre Kinder. Wir müssen ganz allein zurecht kommen. Da habt ihr Menschen es viel einfacher.
Ich möchte euch noch einige Kinder anderer Schmetterlinge vorstellen. Die Raupe auf dem ersten Bild unten links mag besonders gerne die Blätter von Brennnesseln. Aus ihr wird irgendwann ebenfalls ein wunderschöner Schmetterling. Ihr habt der Art den Namen Kleiner Fuchs gegeben. Ihr zählt sie zu den Tagfaltern. So nennt ihr die Arten von Schmetterlingen, die meistens am Tag umher flattern.
Oft sieht man viele Raupen auf einer Pflanze und von der Pflanze ist bald nichts mehr übrig. Wir Raupen tun eigentlich nichts anderes als Blätter vertilgen, jeden Tag, mehrere Wochen lang. Dabei wachsen wir. Wenn uns die Haut zu eng wird, bekommen wir eine neue.
Die Natur hat sich für manche von uns etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Eine Raupe hat zum Beispiel Streifen wie ein Tiger. Man könnte meinen, die Raupe ist richtig gefährlich, oder? Dadurch lassen sich bestimmt viele Vögel abschrecken. Wenn der fertige Falter geschlüpft ist, sieht man an seinem hinteren Ende zwei gezackte Spitzen. Deswegen nennt ihr ihn Schwalbenschwanz. Es wäre doch schade, wenn dieser prächtige Schmetterling das Licht der Welt nicht erblickt hätte.
Wir Raupen haben es manchmal recht eng auf den grünen Blättern. Viele von uns versuchen, gleichzeitig satt zu werden. Auf den Bildern siehst du wieder eine Raupe und daneben den Falter, der sich daraus entwickelt. Es ist ein Tagpfauenauge. Diese Schmetterlinge haben besonders bunte Farben mit großen bläulichen Flecken auf den Flügeln. Die sehen aus wie die Augen eines gefährlichen Tieres. Ob die Vögel darauf reinfallen? Hoffentlich!
Einige von uns Schmetterlingen bevorzugen die Abende und die Nächte. Ihr Menschen nennt sie Nachtfalter. Ich habe gehört, ihr nennt die Nachtfalter auch Motten. Wir Buchenstreckfüße gehören auch dazu. Auf den Bildern unten siehst du zunächst das Kind eines Schmetterlings, den ihr Menschen als Totenkopfschwärmer bezeichnet. Sie ist mit ihrer Farbe kaum von den Blättern zu unterscheiden, deshalb ist sie nicht so leicht von Vögeln und anderen Räubern zu entdecken.
Sie mag vor allem die Blätter von Kartoffelpflanzen. Als Puppe gräbt sie sich in die Erde ein. Sie ist dann so groß wie ein Streichholz und kräftig rot gefärbt. Der fertige Schmetterling fliegt nur nachts, ist also ein Nachtfalter. Seinen Namen bekam er, weil er am Hinterkopf eine Zeichnung trägt, die an einen menschlichen Totenkopf erinnert.
Zugegeben, die Raupe auf dem dann folgenden Bild ist wirklich nicht die schönste. Sie trägt viele lange Haare und hofft darauf, dass Vögel so etwas ungenießbar finden. Als ausgewachsener Falter sieht sie allerdings besonders gut aus. Die Art wird von euch Brauner Bär genannt. Braune Bären fliegen ebenfalls nur nachts. Am Tag wird man sie nur selten sehen. Deshalb zählt ihr sie ebenfalls zu den Nachtfaltern.
Zum Schluss möchte ich dir noch meine Cousine vorstellen. Bei den Raupen des Buchen-Streckfuß gibt es manche, die wie ich gelb gefärbt sind und andere, die braunrot werden.
Ich weiß, dass viele Menschen uns Raupen hässlich und eklig finden. Ich behaupte, das stimmt nicht. Ist meine schöne Cousine etwa hässlich? Und wie ist das bei euch? Sehen Menschenkinder gut und schön aus oder hässlich und eklig? Ich finde, zu Kindern muss man nett sein und Kinder müssen zusammenhalten. Ich hoffe, dass ihr euch nie wieder vor uns ekelt und uns vor allem niemals einfach zertretet.
Vielleicht sorgt ihr ja sogar dafür, dass wir uns gut entwickeln können. Lasst einfach ein paar wilde Pflanzen auf den Wiesen, an den Waldrändern, im Garten oder auf dem Schulhof blühen. Danke!
Bilder: Hamsterkiste (5), Kurt Kulac / CC BY-SA 3.0 (1), Harald Süpfle / CC BY-SA 3.0 (3), gemeinfrei (3), Jean Pierre Hamon / CC BY-SA 2.5 (1), Jeffdelonge / CC BY-SA 3.0 (1), Havang / CC BY-SA 2.5 (1), Patrick Clenet / CC BY-SA 3.0 (1), James Lindsey at Ecology of Commanster / CC BY-SA 2.5 (1)
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